Sehr spannend fand ich diesen „Fund“ aus dem Originalwerk von Sebastian Kneipp, dem „Wasserdoktor“ und Priester aus dem vorletzten Jahrhundert. Megaspannend wie er damals schon die Prinzipien des „Earthing“, der Kaltwassertherapie und noch viele andere Gesundheitsprinzipien nicht nur beschrieben, sondern auch aktiv betrieben hat. Großer Respekt auch nach Jahrhunderten!!!
PS: Die Texte sind eins zu eins übernommen und natürlich war die Sprache damals eine Andere als heute, aber zu 100% lehrreich und interessant! Viel Vergnügen…
Diese Abhärtungsmittel nenne ich:
- das Barfußgehen;
- Gehen im nassen Grase ;
- Gehen auf nassen Steinen ;
- Gehen im neugefallenen Schnee;
- Gehen im kalten Wasser;
- Kaltbaden der Arme und Beine (Füße)
- den Knieguß (mit oder ohne den Oberguß).
1. Barfußgehen
Das natürlichste und einfachste Abhärtungs- Mittel besteht im Barfußgehen. Dieses kann, entsprechend den verschiedenen Ständen und Lebensaltern, auf die mannigfaltigste Weise geübt werden. Ganz kleine Kinder, welche noch gänzlich auf die Hilfe Anderer angewiesen und in die Windeln, in’s Tragekissen, an’s Zimmer gebannt sind, sollen wo möglich nie eine Fußbekleidung tragen. Könnte ich doch dieses allen Eltern, besonders den allzu besorgten Müttern, als Kanon, als feststehende, unumstößliche Regel tief einprägen! Mit Vorurteilen behaftete Eltern, die sich dazu nie verstehen wollen, mögen sich der kleinen Unbeholfenen erbarmen und zum Mindesten für eine solche Fußbekleidung sorgen, durch welche die frische Luft leicht auf die Haut dringen kann. Kinder, welche bereits stehen und gehen können, wissen sich schon selbst zu helfen. Ohne alle Menschenrücksichten werfen sie die lästigen, die Füße quälenden Schuhe und Strümpfe von sich und sind ganz glückselig, besonders zur Frühjahrszeit, wenn man sie sich frei herum tummeln läßt. Manchmal blutet eine Zehe ; doch das hält sie nicht ab, bald wieder barfuß zu gehen. Die Kinder tun dieses ganz instinktiv, einem gewissen Naturtriebe folgend, den wir Alte auch verspüren würden, wenn die überfeinerte, schablonirende, Schraubstockdienst tuende, alles Natürliche wegdrechselnde Bildung uns nicht vielfach allen gesunden Sinn genommen hätte.
Die Kinder der Armen werden in ihrem Vergnügen selten gestört. Weniger vom Glücke begünstigt sind die Kinder der Vornehmen und Neichen, und sie fühlen wahrlich das Bedürfniß nicht weniger als ihre Kameraden aus armem Stande. Ich sah einst die Knaben eines hohen, angesehenen Beamten. Kaum glaubten sie sich aus der Schußweite der durchdringenden Augen des gestrengen Herrn Papa, da flogen auch schon die feinen Schühchen und die noch feineren roten, gelben, weißen Strümpfchen über alle Hecken, und fort ging’s im Galopp über die saftig grüne Wiese. Die Mama, eine Frau von gesundem Sinne, sah dieses nicht ungern ; erblickte aber zufällig der Papa seine Prinzen in solchem ungehörigen Aufzuge, dann gab es lange Strafpredigten und noch längere Standesunterweisungen über Unbildung und Bildung und Standesgefühl und Standesehre. Das ging den kleinen so tief zu Herzen, daß sie anderen Tags noch munterer barfuß im Grase hüpften. Nochmals sage ich : lasse man wenigstens den noch nicht verbildeten Kindern ihre Freude! Einsichtige Eltern , welche solches gerne gestatten wollten, aber in der Stadt leben und keinen einsames Garten oder Rasenplatz besitzen, können den Kleinen das Barfußgehen zu gewissen Zeiten in irgend einem Zimmer, auf irgend einem Gange u. f. w. gestatten, wenn nur die Füße wie Gesicht und Hände zu weilen einmal frei aufatmen, nach Fußeslust frische Luft einsaugen, sich in ihrem Elemente bewegen können. Erwachsene Leute der ärmeren Klassen , insbesondere auf dem Lande, brauche ich nicht zu ermahnen ; dieselben gehen viel barfuß und beneiden nicht den reichsten Städter um seine vornehmen, ausgeschnittenen oder nicht ausgeschnittenen, lackierten oder geschnürten Fußfoltern, die pressenden und die Füße fesselnden Schuhe und Strümpfe. Törichte Landleute mit städtischen Manieren, die sich schämen, es den Ihrigen gleich zu tun, sind durch ihren Eigendünkel gestraft genug ; die altmodischen Conservativen sollen an der guten Tradition treu festhalten. In meiner Jugendzeit ging auf dem Lande Alles barfuß: Kinder und Erwachsene, Vater und Mutter, Bruder und Schwester. In die Schule, zur Kirche waren die Wege stundenweit; die Eltern gaben uns ein Stück Brot und einige Äpfel zur Reisezehrung, so auch Schuhe und Strümpfe als Fußbekleidung. Doch diese hingen wir bis zum Eintritt in die Schule oder in die Kirche über die Arme oder über die Achsel, nicht allein zur Sommers , selbst in der kälteren Jahreszeit. Kaum machte im beginnenden Frühling auf der Höhe meiner Heimat der Schnee. Miene, sich zurückzuziehen, da traten unsere bloßen Füße schon ihre Spuren in den mit seinem Wasser getränkten Boden, und wir fühlten uns froh, heiter und gesund dabei. Erwachsene in den Städten , gar solche, welche besseren, ja den vornehmen Ständen angehören, können dieser Übung sich nicht unterziehen, das ist klar. Wenn sie in ihrem Vorurteile bereits so weit gekommen sind, daß sie meinen, sie könnten, wenn ihre zarten Füße beim Aus- oder Ankleiden nur einen Augenblick auf dem bloßen Boden des Salons, nicht auf warmen, weichen Teppichen stehen, Rheumatismus, Katarrh, Halsleiden oder Ähnliches sich zuziehen, so lasse ich sie vollkommen ungestört. Wenn aber Manche doch etwas tun und sich abhärten wollten, was hindert sie, Abends unmittelbar vor dem Schlafengehen oder in der Frühe beim Aufstehen 10 Minuten, 1 Stunde, 1 Stunde lang eine derartige Promenade zu machen ? Dieselbe könnte die ersten Male, damit der plötzliche Beginn nicht zu stark empfunden wird, in den Strümpfen, später mit bloßen Füßen und noch später barfüßig also geschehen, daß vor dem Zimmer- Spaziergange die Füße bis über die Knöchel einige Augenblicke in kaltes Wasser getaucht werden. Bei guter Einteilung, bei gutem Willen, bei wahrem Streben nach Erhaltung seiner Gesundheit wird ein Jeder, selbst der Vornehmste, selbst der in seinem Berufe Angestrengteste noch so viel Zeit gewinnen, um sich selbst diese Wohltat zu spenden. Ein mir sehr gut bekannter Priester ging jedes Jahr auf mehrere Tage zum Besuche eines guten Freundes, welcher einen größeren Garten besaß. Der Morgenspaziergang galt stets diesem Garten, dessen durch Thau genäßtes Gras so lange die bloßen Füße labte und den Körper erquickte, als der Geist mit dem Breviergebet beschäftigt war. Gar oft hielt mir dieser Herr Lobreden auf die vortrefflichen Wirkungen des Barfußgehens. Eine Reihe Namen von Personen der höheren und höchsten Stände stünde mir zu Gebote, die den wohlmeinenden Ratgeber nicht verachteten und zu guter Jahreszeit bei Morgengängen im einsamen Walde oder auf abgelegener Wiese durch Barfußgehen sich abzuhärten suchten. Einer aus dieser verhältnismäßig immer noch sehr kleinen Zahl gestand mir, er habe im Jahre selten eine Woche erlebt ohne einen wenn auch nur kleinen Katarrh. Diese überaus einfache Übung habe ihn für immer von dieser Empfindsamkeit und Empfänglichkeit befreit. Den Müttern widme ich an dieser Stelle noch ein besonderes Wort. Es kann kurz sein ; denn an anderer Stelle habe ich versprochen, ihnen, wenn Gott mir Leben und Gesundheit schenkt, später einmal einige praktische Winke für eine gute, hauptsächlich den Leib betreffende Erziehung zu geben. Die Mütter sind in erster Linie dazu berufen, für die Heranbildung eines stärkeren, widerstandsfähigeren Geschlechtes zu sorgen, die wuchernde, so arge Lücken in die menschliche Gesellschaft reißende Verweichlichung, Entkräftung, Blutarmut, Nervosität, und wie all die Lebenssauger und Lebensabkürzer heißen, beseitigen zu helfen . Das geschieht durch Abhärtung, durch weise Abhärtung des Kindes vom zartesten Alter an. Luft, Nahrung, Kleidung sind Bedürfnisse, welche der Säugling ebenso notwendig braucht als der Greis. Sie bilden zugleich das Gebiet der Abhärtung. Je reiner die Luft ist , welche das Kleine einatmet, desto besser das Blut. Um dieses schwache Geschöpflein recht schnell an den Aufenthalt in frischer Luft zu gewöhnen, tun diejenigen Mütter gut, welche nach den täglichen warmen Bädern das Kleine 2-3 Sekunden in kälteres, wie von der Sonne erwärmtes Wasser tauchen oder es rasch kalt abwaschen. Das warme Wasser allein macht schlaff und verweichlicht, die abschließende kalte Waschung stärkt, härtet ab und sichert eine gesunde Körperentwicklung. Die anfänglichen Zeichen einer weinerlichen Empfindsamkeit werden bei der dritten oder vierten Anwendung von selbst ausbleiben. Diese Abhärtung stählt die noch ganz kleinen Kinder gegen die so häufigen Erkältungen und deren Folgen und erspart den Müttern, welche diesen Uebelständen vorbeugen wollen, die jeden denkenden Menschen wahrhaft entfehenden Einmummungen und Einhüllungen in Wolle und andere schwere, jeden Luftzutritt hindernde Stoffe. In diesem Stücke wird furchtbar gegen die kleinen Gesundheiten gesündiget. Die zarten Körperchen stecken in förmlichen verbrennenden Wollöfen : der kleine Leib keucht unter der Last der Binden und Decken, das Köpfchen ist eingepuppt, daß ihm hören und Sehen vergehen müssen, der vor Allem abzuhärtende Hals trägt außer den allgemeinen noch befondere Wärmemittel, die ihn gegen die äußere Luft vollends abschließen. Schon wenn der oder die Kleine auf dem Arm des Kindsmädchens ruht, um ausgetragen oder ausgefahren zu werden, sieht die verzärtelnde Mama nochmals nach, ob ja jedes Winkelchen und jede Ede sorglichst verschlossen sei. Wen darf es bei sothanen Umständen, bei diesem gänzlichen Mangel der leisesten Spur von rationellem Abhärtungssinne wundern, wenn Diphtheritis, Halsbräune u. s. m. jährlich eine unzählbare Schaar der kleinen, ich möchte fagen jedem Windhauche erliegenden Wesen hinwegraffen? wenn viele Familien von Schwächlingen gleichsam wimmeln ? wenn die Mütter über hektische, krampfhafte und andere, früher fast unbekannte Zustände, insbesonders bei den Mädchen, täglich Klage führen ? Und wer erst vermöchte die geistigen Gebrechen zu zählen, diese tauben Blüten und faulen Früchte eines Körpers, welcher vor der normalen Entwicklung und Kräftigung schon sein langsames Siechtum beginnt ? Mens sana in corpore sano. Eine gesunde Seele wohnt nur in einem gefunden Körper. Eine Hauptvorbedingung der Entwicklung einer ausdauernden Gesundheit bildet die frühzeitigste Abhärtung. Daß alle Mütter ihre dießbezügliche Aufgabe und Verantwortung früh genug und tief erfaßten und keine Gelegenheit verfäumten, aus guten Quellen sich guten Rat zu holen !
2. Gehen im nassen Grase
Eine besondere, überaus wirksame Art des Barfußgehens ist das Gehen im nassen Grase, gleichviel , ob dieses durch Thau, Regen oder Wasseraufguß genäßt sei. Im dritten Theile wird man dieser Abhärtungsübung recht oft begegnen, und ich kann dieselbe Jung und Alt, Geſunden und Kranken, unbehindert jeder andern Anwendung, bestens empfehlen. Je nässer das Gras ist , je länger die Übung‘ fortgesett und je öfter dieselbe wiederholt werden kann, desto vorzüglicher wird der Erfolg sein. In der Regel dauert der Graslauf 1-3 Viertelstunden. Nach vollendeter Fußpartie werden alle nicht an die Füße gehörigen Anhängsel, wie Laubgras oder Sand, rasch abgewischt, die Füße indessen nicht abgetrocknet, sondern in statu quo, d. i. naß, wie sie sind, sofort mit trockener Fußbekleidung versehen. Auf das Gehen im Grafe folgt jezt ein Gehen mit bekleideten Füßen auf trockenem, mit Sand oder Stein bedecktem Wege, im Beginne etwas schneller, allmählig im gewöhnlichen Tempo. Die Dauer des Gelcus hängt ab von dem Trocken- und Warmwerden der Füße und dürfte eine Viertelstunde nicht übersteigen . Ich ermahne dringend, die Worte trockene Fußbekleidung“ wohl zu bemerken und niemals sich nach dieser Anwendung nasser, angefeuchteter Strümpfe zu bedienen. Die Folgen würden sich in Kopf und Hals bald schon melden ; das hieße nicht aufbauen, sondern einreißen. Es dürfte angemessen sein, junge, schnelle, unbesonnene Leutchen an die Vorsicht zu mahnen, die ausgezogenen Schuhe und Strümpfe nicht ins nasse Gras zu werfen, sondern im Trockenen bereit zu halten, daß sie später die naßkalten Füße. warm empfangen und bald wieder in die gehörige Wärme bringen. Diese Übung, wie das Barfußgehen überhaupt, kann vorgenommen werden, selbst wenn die Füße kalt sind.
3. Gehen auf nassen Steinen
Dem Gehen im nassen Grase kommt in der Wirkung ziemlich gleich das Gehen auf nassen Steinen, das Vielen bequemer und leichter ist. Jedes Haus und Häuschen hat im Parterre oder in einem Stockwerke, in der Waschstube oder Backküche u. f. w. ein größeres oder kleineres Steinpflaster ; beide genügen zu unserem bloßfüßigen Spaziergange auf nassen Steinen. Im langgestreckten Steingange wird man mit beflügeltem Schritte hin- und herwandern; auf einem Fleckchen von 4-5 Steinplatten wird, man die Steine treten, wie der Winzerbube die Trauben, wie an manchem Orte der Bäckerlehrling den Teig tritt. Die Hauptsache besteht lediglich darin, daß die Steine naß sind, und daß man nicht ruhig auf denselben stehe, sondern in ziemlich rascher Bewegung gehe. Zum Benezen der Steine nimmt man am besten eine Gießfanne oder einen Krug, zieht eine den Raumverhältnissen entsprechend dicke Wasserlinie, welche man durch das Treten erweitert. Sollten die Steine zu rasch trocknen, so müßte das Aufgießen ein , zuweilen zwei bis dreimal erneuert werden ; hiebei dient das kälteste Wasser am vorzüglichsten. In Fällen, in denen dieses Abhärtungsmittel zu Heilzwecken verwendet wird, darf seine Anwendungszeit die Dauer von 3-15 Minuten nicht überschreiten. Diese wird sich richten nach dem Zustande des Patienten, ob er stärker oder schwächer, blutarm u. f. w. sei ; in der Regel dürften 3-5 Minuten ausreichen. Als reines Abhärtungsmittel von Gefunden kann die Übung bis zu 1 Stunde und noch länger ohne Schaden ausgedehnt werden. Ich empfehle sie allen Jenen, welche eine solide Abhärtung beginnen wollen. Selbst der Schwächste und Empfindlichste möge sich nicht abschrecken lassen. Wer an kalten Füßen leidet, Halsbeschwerden, Katarrhen leicht zugänglich ist, Blutandrang zum Kopfe und von letterem erzeugtes Kopfweh hat, trete oft diese Steinwanderung an. Er tut gut, wenn er dem aufzugießenden Wasser etwas Essig beimischt. Für die Bekleidung und Bewegung gelten dieselben Regeln wie beim Gehen im Grafe. Wie Lesteres, so kann auch das Steingehen mit kalten (vor der Uebung nicht warmen) Füßen geschehen.
4. Gehen im neugefallenen Schnee
Größere Wirkung als durch die beiden vorhergehenden Übungen wird erzielt durch das Gehen im neu gefallenen Schnee. Wir bemerken ausdrücklich : im neugefallenen , frischen Schnee, der sich ballt oder wie Staub den Füßen anlegt, nicht in altem, starrem, festgefrorenem Schnee, welcher zu empfindlich kältet und nichts taugt. Zudem soll diese Wanderung nie angetreten werden bei schneidend kaltem Winde, wohl aber, wenn bei der Frühlingssonne der Schnee schmilzt. Ich kenne Manchen, der in solcher Schneesulze eine ganze Stunde, ja 11 Stunden mit den besten Erfolgen herumspazierte. Eine kleine Überwindung kosteten nur die ersten Minuten des Beginnes ; später zeigte sich von Unbehagen oder besonderer Kälte keine Spur mehr. Die regelmäßige Dauer dieses Schneeganges ist 3-4 Minuten. Ich betone ausdrücklich : es darf nicht stille gestanden, es muß gegangen werden. Zuweilen kommt es vor, daß gar zu zarte, der äußern Luft. ganz entwöhnte Zehen die Schneekälte nicht ertragen können und Schneefieber bekommen, d. i. trocken, heiß werden, schmerzhaft brennen und aufschwellen. Man erschrecke nicht, die Sache hat keine Bedeutung, und die Heilung erfolgt schnell, wenn man die trockenen Zehen öfters mit Schneewasser tränkt oder mit Schnee leicht reibt . Die Schneetour kann im Herbste z . B. erseht werden durch. einen Gang im Grase mit Reif. Das Kältegefühl ist hier viel empfindlicher, da der Körper in dieser Übergangszeit noch zu wenig der Sommerwärme entwöhnt ist . Im Winter selbst vertritt den Schneegang ein Gang auf Steinplatten, welche mit Schneewasser getränkt wurden. Bezüglich des Ankleidens und der Bewegung lese man die bei den vorhergehenden Nummern angegebenen Regeln. Das sind Torheiten, Narrheiten u. f. w., so lauten in der Regel die Empfehlungen gerade dieser Abhärtungsübung, von der man Erkältungen, Rheumatismen, Halsleiden, Katarrhe, alles Mögliche fürchtet. Es kommt Alles nur auf eine Probe und kleine Überwindung an ; man wird sich bald überzeugen, wie unbegründet die Vorurteile sind, und wie der schreckliche Schneegang statt der Nachtheile große Vorteile bringt. * Vor vielen Jahren kannte ich eine höhere Beamtenfrau. Die energische Mutter hielt große Stücke auf die Abhärtung ihrer Kinder : wählerisches Verfahren beim Essen oder Trinken wurde durchaus nicht geduldet, Klagen über Witterung, Wärme, Kälte u. s. w. stets gerügt. Sobald der erste Schnee fiel, versprach sie den Jungen Butterbrot mit Honig, wenn sie es wagten, eine Weile es barfuß mit dem Schnee aufzunehmen. So tat sie lange Jahre ; die Kinder erstarkten, strohten von Kraft und waren ihr ganzes Leben überaus dankbar für diese nichts weniger als weichliche Erziehung. Diese Mutter hat ihre Aufgabe vortrefflich verstanden. Das wäre der Schneelauf von Gesunden ; es folgen zwei Fälle , welche zeigen sollen , wie erfolgreich man ihn bei manchen Leiden anwendet. Eine Person litt viele Jahre hindurch zur Winterszeit an Frostbeulen, welche aufbrachen, eiterten und große Schmerzen versursachten. Im ersten Herbstschnee fing fie, meinem Rathe folgend, die Schneegänge an, wiederholte dieselben öfters und blieb von den lästigen Beulen gänzlich verschont. Erst kürzlich kam ein 17jähriges Mädchen zu mir und klagte über heftige Zahnschmerzen. Gingest du fünf Minuten im neugefallenen Schnee, “ sagte ich ihr. dein Zahnweh würde bald verschwinden. “ Es befolgte augenblicklich den Rath, eilte dem Garten zu und kam nach 10 Minuten zurück mit dem freudigen Rufe, daß alles Zahnweh gänzlich nachgelassen habe. Niemals darf das Schneegehen stattfinden, wenn nicht der ganze Körper warm ist. Wen friert und fröstelt, der suche zuerst durch Arbeit oder Bewegung die normale Leibeswärme sich zu verschaffen. Personen, welche an Fußschweiß, offenen Füßen, aufgesprungenen oder eiternden Frostbeulen leiden, können selbstverständlich niemals im Schnee gehen, bis anderweitige Heilung (s. Fußbad oder Fußdampf) eingetreten. * Manche Ärzte kenne ich , welche diese Übung durchaus billigen, wenn sie nur mit der gehörigen Vorsicht geschieht. Andere, welche zum Vorwurf der Schroffheit Neigung haben, erinnere ich an die viel schroffere Verwendung des Eises.
5. Im Wasser gehen.
So einfach es scheint, im Wasser bis an die Waden zu gehen, so dient doch gerade diese Anwendung a) zur Abhärtung; es wirkt diese Anwendung auf den ganzen Körper, kräftigt die ganze Natur; b) sie wirkt günstig auf die Nieren und auf Ableitung des Harnes, verhütet deswegen manche Leiden, die in den Nieren, der Blase Und im Unterleib entstehen; c) sie wirkt recht gut auf die Fig. 1. Brust, erleichtert das Atmen und leitet Gase aus dem Magen; d) sie wirkt besonders gegen Kopfleiden, Eingenommenheit des Kopfes, Kopfschmerzen. Man kann dies Abhärtungsmittel anwenden, indem man in einer Badewanne (oder Schaff, Zuber) anfangs bis über die Knöchel im kalten Wasser Bewegung macht. Wirksamer ist es, wenn die Abhärtung gesteigert wird und man bis an die Waden im Wasser geht, am wirksamsten, wenn das Wasser bis zu den Knieen reicht. Die Dauer betreffend, so kann man anfangen mit 1 Minute, dann länger bis 5 und 6 Minuten. kälter dabei das Wasser, um so besser. Nach solcher Anwendung ist Bewegung im Winter im warmen Zimmer, im Sommer im Freien zu machen bis zur vollständigen Erwärmung. Im Winter kann Schnee in’s Wasser getan werden. Bei Schwächlingen kann man mit Wasser anfangen, das nicht sehr kalt ist, und nach und nach zum kälteren und schließlich zum ganz kalten übergehen.
6. Kaltbaden der Arme und Beine (Füße)
Zur Abhärtung speziell der Extremitäten, der Arme und Beine, dient folgende Übung in vorzüglicher Weise : Man steht in’s kalte Wasser bis an oder über die Kniee, nicht länger als eine Minute. Nach dem Bekleiden der Füße entblößt man die Arme. bis zu den Achseln und hält auch diese eine Minute in das falte Wasser. Besser tut Derjenige, der beide Übungen zu gleicher Zeit vornimmt. Wer im Besitze einer größeren Badewanne ist, kann dieses unschwer tun. Die Übung kann auch in der Art vorgenommen werden, daß die Füße in ein eigenes Gefäß am Boden zu stehen und die entblößten Arme und Hände in ein auf einem Stuhl erhöhtes Holzschaff zu ruhen kommen. Nach manchen Krankheiten wende ich diese Übung gerne an, um den Fluß des Blutes nach den Extremitäten zu steigern. Das Eintauchen der Arme allein thut gute Dienste all Denen, welche an Frostbeulen und kalten Händen zu leiden haben. Gut tut, wer die Hände (nicht Arme) nach dem Eintauchen gleich abtrocknet, weil scharfe Luft den freien Stellen sonst Hautsprünge verursachen könnte. Die Vornahme dieser Übung fordert, daß der Körper sich normal warm fühlt (nicht fröstelt). Füße, welche bis über die Knöchel (nicht bis über die Waden) , Arme, die bis zum Ellenbogen kalt sind, sollen von der Applizierung nicht abhalten.
7. den Knieguß (mit oder ohne den Oberguß)
Als leztes Abhärtungsmittel sei der Knieguß aufgezählt. Man suche die Art seiner Applizierung bei den Gießungen. Er ist der besondere Freund der Füße, indem er in deren blutleere Adern das Blut lockt. * An dieser Stelle habe ich nur zu bemerken, daß ich den Knieguß, wenn ihn Gesunde zur Abhärtung benügen, in stärkeren Formen gebe. Es wird dieses z. B. dadurch erreicht, daß ich den Strahl höher auffallen lasse , daß ich zur Winterszeit das Wasser durch Schnee und Eis noch mehr kühle u. f. w. Die Übung kann nur vorgenommen werden, wenn der Körper warm ist (nicht fröstelt). Bis zu den Knöcheln kalte Füße sollen die Anwendung nicht hindern. Deßgleichen darf der Knieguß allein, d. i. ohne von einer andern Anwendung begleitet zu sein, nicht zu lange fortgesetzt werden (nicht über 3-4 Tage) . Wer ihn länger gebraucht, gebraucht ihn im Wechsel mit dem Oberguß oder dem. Eintauchen der Arme (f. Nr. 6), in der Frühe die eine, Nachmittags die andere Anwendung. Diese angeführten Abhärtungsmittel mögen genügen. Bei einem hohen Herrn bildete sich anstatt der Nägel an den Zehen nur mehr eine weiche Masse. Die Kniegüsse reichten hin, das Blut also zu treiben, daß es auch den Nägeln wieder gab, was ihnen gehörte. Sie wurden fest wie früher. Die selben können zu jeder Jahreszeit vorgenommen, im Winter und Sommer fortgesetzt werden. Im Winter wird man die eigentliche Anwendung etwas abkürzen, dagegen die Bewegung nach derselben um ein Weniges verlängern. Ungewohnte tun gut , die Abhärtungsübungen nicht gerade im Winter, zur kalten Jahreszeit zu beginnen: Vornehmlich gilt dieses allen, welche an Blutarmut, innerer Kälte viel leiden und durch Wollkleidung verwöhnt, verweichlicht, empfindlich geworden sind. Ich sage dieses , nicht als ob ich Schaden befürchtete ; ich fürchte lediglich das Abgeschreckt werden von einer überaus guten Sache. Gesunde und Kränkelnde können ohne Bedenken sämmtliche Übungen vornehmen, beide mit Vorsicht und die Anweisungen genau befolgend. Schlimme Folgen sind niemals der Anwendung, sondern stets irgend einer größeren oder kleineren Unvorsichtigkeit zuzuschreiben. Selbst bei Schwindsüchtigen, bei denen das Leiden schon ziemliche Fortschritte gemacht hatte, habe ich die Nummern 1. 2. 3. 6. Mit großen Erfolgen angewendet. An die Leutchen, denen mein Büchlein in erster Linie gilt, brauche ich nicht zur Abhärtung aufzumuntern. Ihr Beruf, die täglichen Pflichten bringen täglich, oft stündlich das eine oder andere der genannten und viele, unzählige ungenannte Abhärtungsmittel von selbst mit sich. Sie mögen ruhig ausharren und Niemanden. beneiden, der es scheinbar besser hat als sie. Das sind Täuschungen, sehr oft, ja meistens große Täuschungen. Diejenigen meiner verehrten Leser, welche die angeführten Dinge vielleicht noch niemals, auch nur dem Namen nach gehört haben, lade ich ein, vor dem Verdammungsurteile eine kleine, die kleinste Probe anzustellen. Wenn dieselbe zu meinen Gunsten ausfällt, soll es mich freuen, nicht meinetwegen, sondern wegen der Wichtigkeit der Sache. Es brechen im Leben viele Stürme herein über die Gesundheit der Menschen. Wohl dem, der ihre (der Gesundheit) Wurzeln durch die Abhärtung gut gefestigt, in die Tiefe geleitet und gegründet hat!